St. Martin und der Bettler? – Na Logo!
„Darauf gebe ich Dir Brief und Siegel!“ – Eine bekannte Redewendung, die so viel bedeutet, wie: „Darauf kannst Du Dich verlassen!“
Sie geht zurück auf Zeiten, in denen es auch für die Mächtigsten nicht selbstverständlich war, schreiben zu können. Statt einer Unterschrift stellte ein Siegelabdruck in Wachs die Beglaubigung für ein Dokument dar.
Das Siegel unserer Kirchengemeinde
Auch heutzutage werden Siegel noch zur Beglaubigung von Dokumenten verwendet. Sie werden von Behörden oder Amtsträgern geführt. Auch unser Pfarramt führt ein Siegel: Es zeigt den heiligen Martin von Tours, den Schutzpatron unserer Kirche. Vor ihm kniet der aus der Martinsgeschichte ebenfalls bekannte Bettler mit erhobener Hand. Er empfängt die Mantelhälfte, die Martin mit seinem Schwert gerade abtrennt. Eingerahmt wird die Abbildung durch den Schriftzug
Ev.Luth.St.Martinskirche.
Nienstedt-Förste.
Das bekannte Siegel wird seit etwa 1970 von unserer Kirchengemeinde geführt. Es ist demnach zu Zeiten von Pastor Schmidt (Pastor in St. Martin von 1969 bis 1974) entstanden. Zuvor kamen ovale Siegel in Form von Stempel- und Wachssiegel mit Kreuzen als zentrale Abbildungen zum Einsatz und durch den umgebenden Schriftzug wurde ein Bezug zur Gemeinde hergestellt.
Soldat oder Bischof – zwei Versionen
Das seit 1970 bis heute verwendete Siegel zeigt Martin, der für den Bettler seinen Mantel teilt.
Interessant ist ein Aspekt, der weder Pastor, Kirchenvorstand (inklusive des Autors dieses Beitrags) noch der Pfarrsekretärin vor dieser Recherche bewusst war:
Das bekannte Siegel existiert in zwei verschiedenen Ausführungen:
1. Die bereits erwähnte, in der Martin als Soldat dargestellt ist, und
2. eine besser bekannte, in der Martin mit Bischofsmitra (bischöfliche Kopfbedeckung) und etwas aufwändigerem Mantel dargestellt ist.
Die 2. Variante ist eine Abstraktion der Martinsüberlieferung, da dieser bei seiner barmherzigen Tat noch als Soldat im Dienste des römischen Kaisers stand. Erst später wurde er zum Bischof von Tours geweiht.
Aus welchem Grund zwei verschiedene Varianten dieses Siegels existieren, konnte nicht rekonstruiert werden. Beide Varianten lassen sich etwa bis zur selben Zeit im Pfarrarchiv nachweisen und scheinen auf denselben Entwurf zurückzugehen. Es lässt sich jedoch feststellen: Variante 2 wurde offenbar nie in der eigentlichen Siegelfunktion verwendet, um Dokumente zu beglaubigen, sondern eher in der Funktion eines – wie man heute sagen würde – Logos.
Weil sie in so einprägsamer Weise den Gemeindenamen wiedergeben und noch dazu die zutiefst christliche Tat des Mantelteilens enthalten, wurden beide Siegelversionen später als Logo verwendet. In Briefköpfen, auf Drucksachen und seit Anfang der 2010er Jahre auf der Gemeindehomepage wiesen sie auf St. Martin hin.
Ein Siegel ist kein Logo!
Dieser Gebrauch des Siegels wurde bei der letzten Visitation im Jahr 2014 bemängelt. Daraufhin wurde die Verwendung des Siegels als Logo eingestellt und es sind wahlweise Fotos oder Strichzeichnungen der Kirche verwendet bzw. es ist gänzlich auf bildliche Darstellungen verzichtet worden.
Der Verzicht auf die Martins-Szene ist im Kirchenvorstand als unbefriedigend erlebt worden. Die bekannte Darstellung ist in der Gemeinde ebenso bekannt wie beliebt. Letzteres lässt sich auch daran erkennen, dass der mantelteilende St. Martin um 1998 zur zentralen Darstellung im Nienstedter Dorfwappen erwählt wurde (Dieter Spohr: 1055 – 2005. 950 Jahre Ortschaft Nienstedt. Geschichte eines Dorfes. 2005)
So wird die Verbindung zwischen Dorf und Kirche unterstrichen.
