Beim Gottesdienst in Nienstedt durfte geklatscht werden
Beim ersten Gottesdienst nach dem 7. März in der St. Martin-Kirche zu Nienstedt durfte zwar nicht laut, sondern nur in Gedanken und mit dem Herz gesungen, dafür aber aber im Takt geklatscht werden. Eigens dafür hatte Pastor Wolfgang Teicke den 1837 von Ernst Richter vertonten Text von Hoffmann von Fallersleben „Alle Vögel sind schon da“ neue Worte, wie etwa „Ein paar Leute sind schon da, “ geschrieben und auch angestimmt. Denn er und Organist Fridel Dapra waren die einzigen, welche ihre Stimmen erheben durften. Für dieses besondere Solo, gab es übrigens Beifall.
Bevor aber das Gotteshaus in Nienstedt für eine erfreulich große Zahl von Generationen aus Förste, Nienstedt und Eisdorf die Tür öffnete, hatte der Kirchenvorstand Nienstedt-Förste sich gehörig ins Zeug gelegt, um alle Vorschriften erfüllen. Nachdem alle Vorschriften gepaukt gewesen waren, galt es, diese auch in die Tat umzusetzten. So wurden die Bänke weit genug auseinander gerückt und auf den Sitzflächen mittels nicht zu übersehenden, farbigen Punkten gekennzeichnet, wo Platz genommen werden durfte.
Außerdem wurden die Gesangsbücher mit einem roten Verbotsband versehen, die Treppen zur Empore gesperrt, draußen Abstandslinien auf das Pflaster gezeichnet und Masken besorgt, falls irgend ein Gottesdienstbesucher die seinige vergessen haben sollte. Außerdem wurden die Namen aller Besucher notiert, weil auch das in der Corona-Zeit vorgeschrieben ist.
Nun galt es für den Kirchenvorstand und Pastor Wolfgang Teicke abzuwarten. Niemand wagte sich festzulegen, wieviel Gäste kommen würden. Als sich eine nicht erwartet große Zahl eingefunden hatte, bewahrten alle Geduld und ließen sich die Plätze freundlich zeigen. Alt und Jung waren schließlich froh, dass endlich wieder das Gotteshaus zu einem Ort der Begegnung geworden war. Das Einzige, was alle vermisst hatten, war das gemeinsame Singen, das war schließlich auch mit Maske nicht erlaubt.
Pastor Teicke hieß alle mit den Worten „Ihr seid wieder da“ willkommen. Der Predigttext war vorgegeben und mutete ausgesprochen aktuell an. Nach Jahrzehnten im Exil und nach der Zerstörung des Tempels traf sich die jüdische Gemeinde wieder.
Bei einem religionsgeschichtlichen Vergleich von Israel und anderen Völkern fällt eine entscheidende Differenz auf. Während andere Völker ihren Gott nur so lange verehrten, wie er sie beschützte, setzte sich der biblische Glaube auch in der Niederlage und in der Krise mit seinem Gott auseinander. Auch wenn sie in dem fremden Land keinen Gottesdienst abhalten durften, sei in den kommenden 70 Jahren sehr viel Kreativität rund um den Glauben und das Lied sowie das Niederschreiben entstanden. Und Pastor Teicke rief alle dazu auf, ihre Gedanken, die in der Corona-Zeit entstanden sind, nieder zu schreiben. Das hätten die Juden damals auch getan, woraus im Prinzip das Alte Testament entstanden ist. Viele Gedanken von heute könnten später mal wertvoll sein, aus dem Grunde seien sie zu schade, vergessen zu werden.
Als die Besucher das Gotteshaus verließen, stand für die meisten fest, dass sie es kommenden Sonntag, 17. Mai, wieder betreten werden, da beginnt die Feier um 17 Uhr. Denn dieser erste Gottesdienst seit Anfang März hatte ihnen sehr gut gefallen, er war anders, als in gewohnter sonntäglicher Weise. Eine Konfirmandin betonte, dass sie mit einem strengeren Gottesdienst gerechnet habe, sie sei angenehm überrascht worden. Pastor Wolfgang Teicke und der Kirchenvorstand haben sich ebenfalls gefreut, dass so viele den Weg in die St. Martin-Kirche gefunden hatten. (Bericht: Petra Bordfedl)